07/24/2022

Laura Leppert – POSSESSION

Jeden Tag, zu jeder Zeit, sind wir umgeben von Stoffen, die aus dem Boden extrahiert wurden und werden - seltene Erden in Smartphones, Erze und Mineralien in den Montagehallen der Industrie, in den Tanks der Maschinen und den Öfen der Fertigungsstätten. Wir besitzen vermeintlich das Land, seine Bodenschätze, seine Relikte und Mikrobiome – nur inwiefern sind wir selbst wiederum von diesen besessen? Wer ergreift Besitz und Deutungshoheit? Und welche Narrative werden zur Begründung bemüht?

Unser Zeitalter, in dem kohlenstoffbasierte Brennstoffe zentral für die Energiegewinnung dienen, hat Denk- und Handlungsweisen zementiert, die nun als schwer veränderbar erscheinen. Der amerikanische Historiker und Autor Timothy J. LeCain der dieses Zeitalter als „Karbozän“ bezeichnet, betont die Materialität seines Fundaments. Die amerikanische Naturwissenschaftshistorikerin und Feministin Donna Haraway ergänzt mit ihrem Begriff des „Kapitalozän“ die Fokussierung auf kapitalistische Wertschöpfung, die auf dem Gesetz der „billigen Natur“ beruht. Wir lassen – so ihre These – die gesamte „Natur“ für uns arbeiten, unbezahlt. Wie können wir eine neue Beziehung denken, die nicht auf Unterwerfung und Ausbeutung basiert?

Mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich die Künstlerin Laura Leppert in ihrem Projekt „Possession“. Dessen Titel „Possession“ oszilliert dabei spannungsvoll zwischen seinen Bedeutungen „Besitz“ und „Besessenheit“.

Im Zentrum der Ausstellung von Laura Leppert im MaximiliansForm steht ihre 2-Kanal-Videoinstallation „Possession“, die sich aus dokumentarischen Landschaftspanoramen, fiktiven Filmszene, analogen Spezialeffekten und einem Voiceover aus eigenen Texten entwickelt. Auf künstlerische Weise reflektiert Laura Leppert darin das Motiv extraktiver Politik, ihre besitzergreifenden Denkmuster und potenzielle Möglichkeiten für eine „kooperative“ Zukunft. Die filmischen Aufnahmen für „Possession“ sind in den Tagebaufeldern des Ruhrgebiets, in den umliegenden Geisterdörfern und Abraumhalden entstanden und den Karsthöhlen der Ostslowakei.

Die Ausstellung wird begleitet durch das Filmscreening „In Matter“, das experimentelle und dokumentarische Arbeiten internationaler Künstler*innen zeigt. Deren Beiträge kreisen um die Themen Eigentum und Extraktion, hegemoniale Ausbeutung, Geschichten verschütteter Materialien und mögliche Zukunftsvisionen. Die Diskussions- und Vortragsrunde „Schwierige Materialismen“ lädt Akteur*innen der Kulturszene ein, um über Eigentumsverhältnisse in der Stadt, deren Logiken und Verstrickungen zu reden. Im Rahmen des Ö Projekts von Färberei/Kösk wird in Zusammenarbeit mit der Künstlerin eine offene Ö Werkstatt für Jugendliche und junge Erwachsene angeboten.

Fotos: Barbara Hartmann Tumba

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